PSYCHOPOMPS

Als ich das Album "Fiction Non Fiction" der Psychopomps in meinen CD-Player schob, rechnete ich mit einem straighten EBM/Industrial-Album, aber nicht mit einem so abwechslungsreichen Electro-Rock-Album, das mit allerlei Einflüssen aus verschiedenen Musikrichtungen wie z.B. dem 70er-Glam-Rock (!) spielt. Ein solches ist aber das neueste Werk der dänischen Band geworden. Der Mut mal so etwas zu machen, die gekonnte Umsetzung und der frische Sound trieben mich dann quasi umgehend an den Schreibtisch und ich konnte nicht anders, als sofort folgende Fragen niederzuschreiben, die mir Fleming Norre Larsen von den P=sychopomps freundlicherweise beantwortete.

Ich weiß nicht, wie vielen unserer Leser Ihr schon ein Begriff seid; stellt Euch doch bitte kurz vor und erzählt etwas zu Eurer Bandgeschichte.

*** Mit den Psychopomps werden wir dieses Jahr unseren zehnten Geburtstag feiern, die Band wurde also 1988 geboren. Jesper Schmidt (Vocals, Programming) und ich (Flemming Norre Larsen; Programming, Lyrics) haben damals die Psychopomps gegründet. Zu Anfang haben wir instrumentalen Synthie-Pop mit Einflüssen aus den frühen 80ern gemacht. Unser Debut-Album "Assassins DK United" erschien 1991 und enthielt Musik, die sich zu EBM/Industrial entwickelt hatte. Wir haben zwei weitere Studio-Alben ("Pro-Death Ravers" und "Six Six Six Nights In Hell") veröffentlicht bevor Kaare Mogensen (Guitars) 1996 zu uns stieß und wir ein Trio wurden. Nach zwei Jahren Song-Writing und Studio haben wir Ende letzten Jahres endlich das neue Album veröffentlicht.

Mit der "Six Six Six Nights In Hell" habt Ihr ja schon bewiesen, daß Ihr kaum berechenbar und immer für einige Überraschungen gut seid. Auch das neue Album ist wieder etwas komplett Neues und enthält völlig unerwartete Sounds wie z.B. den Gesang (vor allem beim Refrain von "Ace"), die Coverversionen, die "weichen" Gitarren usw. Erzählt doch mal ein wenig dazu.

*** Es war uns sehr wichtig, daß wir uns nicht selbst wiederholen, indem wir ein und denselben Song immer und immer wieder machen. Wir versuchen die Dinge so interessant wie uns nur möglich zu gestalten. Wir denken, daß die ständige Integration immer wieder anderer Elemente und neuer Einflüsse ein wichtiger Faktor dafür ist, daß wir immer noch so viel Spaß daran finden, Musik zu machen. Wir versuchen uns in unserem Schaffen keine Grenzen zu setzen. Diese Einstellung sorgt vielleicht für einige Verwirrung bei den Hörern, aber sie ist für uns wirklich von grundlegender Bedeutung.

Was ist Eurer Meinung nach die wichtigste Änderung? Wie habt Ihr Euch selbst verändert?

*** Ich denke, daß es am wichtigsten ist, DASS wir uns verändert haben. Nach dem letzten Album waren wir ziemlich sicher, daß wir mal etwas anderes ausprobieren wollten. Da unser eigener Musikgeschmack in andere Richtungen schweifte, wollte niemand von uns ein weiteres Industrial-Album (dabei wird dieser Begriff der "666 Nights In Hell" meiner Meinung nach kaum gerecht, Anm. Z) aufnehmen, auch wenn wir uns nicht sicher waren, ob wir damit Erfolg haben würden. Nach der "666..." hatten wir das Gefühl, kein Ziel zu haben, und begannen, uns etwas von unseren bisherigen Leistungen gefangen zu fühlen. Wir mußten anders an die Sache herangehen, um nicht in Apathie zu verfallen. Das ist auch einer der Gründe, warum wir vor der "Fiction Non Fiction" so lange nichts von uns haben hören lassen. Zu persönlichen Veränderungen kann ich wenig sagen, weil ich denke, daß es schwer ist, Veränderungen im eigenen Leben zu bemerken, zumal das nichts ist, was über Nacht passiert.

Wie würdet Ihr Eure Musik umschreiben? Neben den elektronischen Elementen habt Ihr einige teilweise psychedelische 70er-Sounds oder Glam Rock-Elemente aufgegriffen, so daß ich Eure Musik vielleicht als "Cyber Glam Rock" bezeichnen wollte - könntet Ihr Euch damit etwas identifizieren?

*** Diese Frage amüsiert mich immer sehr, da jeder versucht unserer Musik immer neue Stempel aufzudrücken (Tjaja, so sind sie die Jungs von der Presse. Wir müssen das ja sagen, damit die Künstler die Gelegenheit haben, zu erwidern, daß sie in keine der Schubladen passen, Anm. Z). Ich sehe es eher so, daß es gute Musik auf der einen Seite und den ganzen Rest auf der anderen Seite gibt. Würde man mich aber zwingen, unsere Musik in eine Schublade zu stecken, wäre das Alternative Rock: Rock, weil es im wesentlichen einfach das ist, und Alternative, weil dieser Begriff all die anderen Stilrichtungen beinhaltet. Ich fühle, daß Psychopomps von allem ein bißchen einfängt, und eigentlich kann es jeder bezeichnen, wie er will, das ist mir egal. Trotzdem muß ich Dir zugestehen, einige scharfe Beobachtungen gemacht zu haben.

Ich hätte einige Kracher der Marke "Superpsycho" erwartet - warum ist in dieser Richtung kein Song auf dem Album?

*** Wie ich schon weiter oben versuchte zu erklären, sind wir keine Band, die sich selbst wiederholen möchte. Wir haben "Superpsycho" einmal aufgenommen, also besteht doch überhaupt keine Notwendigkeit, dies noch einmal zu tun. Einer der Gründe, warum wir uns immer noch weiterentwickeln, ist meiner Meinung nach, daß wir, wenn wir die Arbeit an einem Song abgeschlossen haben, Dinge suchen, die wir hätten besser machen können. Wir sind wohl kaum zufriedenzustellen und sollte einst der Tag kommen, an dem wir eine Platte aufgenommen haben, die keinen Raum für Verbesserung läßt und alle Ideen ausgeschöpft hat, werden wir aufhören, Musik zu machen. Wir mögen es, wenn sich unsere Musik entwickelt, und um eben das zu erreichen, muß man etwas Neues ausprobieren wollen und nicht nur an den Dingen hängen, von denen man weiß, daß man sie tun kann.

Auffällig sind auch die drei Coverversionen "I Love You Love Me Love", "Spirit In The Sky" und "Venus In Furs". Von wem sind die Originale und warum habt Ihr diese Songs gecovert?

*** Wir wollten schon lange Coverversionen machen, aber vor diesem Album hatten wir nicht das Gefühl, daß die Ergebnisse es wert gewesen wären, sie sich anzuhören. 1992 hatten wir die Idee "Spirit In The Sky" für das "Pro-Death Ravers" Album zu covern, aber es hat einfach nicht hingehauen. 1993 haben wir dann noch einmal versucht, den Song aufzunehmen, und nachdem wir die halbe Aufnahme fertig hatten, haben wir es doch wieder abgebrochen. Aber einige Elemente der Version auf "Fiction Non Fiction" sind tatsächlich fünf bis sechs Jahre alt. "I Love You Love Me Love" ist im Original von Gary Glitter, "Spirit In The Sky" wurde 1968 von Norman Greenbaum geschrieben, die Version von Doctor & The Medics ist aber wohl bekannter, und "Venus In Furs" ist von Velvet Underground und Lou Reed. Wir haben unsere Coverversionen unter den Songs ausgesucht, die wir wirklich mögen, aber wir meinten, daß wir auch etwas hinzufügen mußten. Neben den drei Coverversionen vom Album haben wir 1997 noch zwei weitere aufgenommen: "Badlands" von AC/DC, das von Cleopatra Records (USA) auf einer AC/DC-Tribute-Compilation veröffentlicht wurde, und "Thunderball" von Tom Jones, das die Titelmelodie zu dem James Bond-Film von 1965 ist. Der Song wird als Bonustrack auf unserer neuen Single veröffentlicht, die irgendwann im Frühjahr auf den Markt kommen sollte.

Werdet Ihr auf Tour gehen, oder wird es zumindest einzelne Konzerte geben?

*** Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Psychopomps waren nie eine Live-Band, aber ich weiß, daß uns einige Leute gerne live sehen wollen. I hoffe, sie verstehen, daß die Psychopomps nicht auftreten werden, bevor wir nicht das Gefühl haben, daß wir den Leuten auch etwas bieten können.

Wie werdet Ihr Weihnachten feiern? Werdet Ihr mit Euren Familien am Weihnachtsbaum sitzen oder irgendwo auf einer Disco-Party abhängen oder ...?

*** Ich werde Weihnachten mit meiner Familie verbringen, so wie ich es immer getan habe und es immer tun werde.

Laßt uns noch einen kleinen Rückblick auf das Jahr 1997 machen: Was war für Euch in diesem Jahr: - das beste Album?

*** Das beste Album war definitiv "Ultra" von Depeche Mode - Jesper und ich haben ihre Musik vor allem Mitte und Ende der 80er viel gehört und ich denke, daß es großartig ist, ein Album von ihnen zu hören, das markanter denn je ist.

- das schlechteste oder enttäuschendste Album?

*** Keine Ahnung. Es gibt natürlich eine Menge Musik, die ich nicht mag - aber nichts, das mir so richtig auf die Nerven geht

- das schönste Erlebnis?

*** Es gab natürlich im letzten Jahr Vieles, an dem ich Spaß hatte, aber nichts, das heraussticht. Daß Manchester United die englische Premier League im Mai gewonnen hat, war aber schon recht gut! Ach ja, und natürlich das Offensichtlichste: daß wir endlich die Arbeit am neuen Album abgeschlossen haben.

- das schlimmste Erlebnis?

*** Das schlimmste Erlebnis 1997 war definitiv, daß ich im Frühjahr zwei Weisheitszähne gezogen bekommen habe und danach fast fünf Wochen lang auf Schmerzmitteln war.

Was wünscht Ihr Euch für das neue Jahr?

*** Das ist eine schwere Frage. Ich schätze: nur daß ich gesund bleibe, um es in vollen Zügen genießen zu können.

Sonst noch etwas, das Ihr loswerden wollt?

*** Danke für das nette Interview.

Dem kann ich mich natürlich nur anschließen. Danke an Flemming Norre für die bereitwillige Beantwortung meiner Fragen und an Zoth Ommog für die Mühe bei der Weiterleitung der Fragen/Antworten. Ich muß sagen, daß man selten Bands hört, die ihre Songs so konsequent in immer wieder andere Gewänder stecken, wie die Psychopomps. Wer also mal was anderes als immer nur EBM-Bumm-Bumm hören will, tut sicher nicht verkehrt daran, seine Lauscher schleunigst einmal in deren neues Album zu schieben.

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