PRAGER HANDGRIFF

haben jüngst ihr viertes Album "Schlagende Wetter" veröffentlicht. Es ist ein druckvolles Album entstanden, das den mit den Vorgängern eingeschlagenen Pfad konsequent fortsetzt. Grund genug, den beiden mal etwas auf den Zahn zu fühlen.

Entry: Stellt Euch bitte kurz vor und erzählt etwas zu Eurer Bandgeschichte.

Stefan: Der Prager Handgriff besteht aus mir, Stefan Schäfer, und aus Volker Rathmann, der für die Kompositionen verantwortlich ist. Wir haben zuvor in einer Wave-Band gespielt, damals saß ich noch hinter dem Schlagzeug. Als es dann immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten über den zukünftigen Musikstil kam, beschlossen Volker und ich, allein weiterzumachen. So gründeten wir 1990 die Band "Prager Handgriff".

E.: Wie seid Ihr zu dem Namen "Prager Handgriff" gekommen? Was besagt er?

D.P.H.: Während seiner Zivildienstzeit durchwälzte Volker ein Medizinerhandbuch. Darin fand er den Begriff "Prager Handgriff". Er gefiel uns sofort, vor allem weil er so mehrdeutig ist. In Wirklichkeit ist der "Prager Handgriff" ein Geburtshilfegriff, der dazu dient, den Säugling aus dem Mutterleib zu ziehen.

E.: Wie entstehen Eure Songs?

D.P.H.: Zuerst komponiert Volker die Songs. Diese spielt er mir dann vor und wir entscheiden gemeinsam, was noch geändert werden muß und wer den Text schreibt. Die Texte schreiben wir etwa im Verhältinis 50:50.

E.: Wo seht Ihr Eure Einflüsse (Musik, Filme, etc.)?

D.P.H.: Unsere frühen Alben sind sicherlich noch durch die Musik der frühen 80er beeinflußt worden, wobei ich jedoch vornehmlich Gitarren-Wave-Bands wie Joy Divison, Echo & The Bunnymen, The Sound oder die Chameleons meine.

Im Gegensatz zu vielen anderen Bands haben wir weniger DAF, Depeche Mode oder Kraftwerk gehört.

Heute hören wir vornehmlich Bands aus dem Metal- und Crossover-Bereich wie z.B. Metallica, Paradise Lost, Sepultura und selbstverständlich die Krupps.

Von den Neuerscheinungen gefallen mir Rammstein oder auch The Prodigy sehr gut.

Durch Filme sehen wir uns eigentlich kaum beeinflußt, auch wenn ich leidenschaftlich gern ins Kino gehe.

E.: Ihr behandelt ja immer brandaktuelle Themen in Euren Texten. So war es (neben vielen anderen) auf der "Täterschaft und Teilnahme" der Krieg in Somalia, auf der "Maschinensturm" der "Seelenstrip" in Talk-Sendungen oder auf der neuen "Schlagende Wetter" die Krise in der Bergbau-Industrie. Warum singt Ihr über diese Themen?

D.P.H.: Natürlich in erster Linie, weil sie uns beschäftigen. Außerdem hat man als Musiker die einmalige Chance, nicht nur alle vier Jahre zur Wahlurne zu gehen, sondern seine Meinungen und Anschauungen die Gesellschaft und Politik betreffend in der Öffentlichkeit kundzutun. Wir wollen den Zuhörer zum Nachdenken anregen. Natürlich liegt uns dabei die fatale Situation im Ruhrgebiet besonders am Herzen; schließlich sind wir hier aufgewachsen.

Wir versuchen immer wieder aktuelle Themen in unseren Texten anzusprechen, weil wir denken, daß diese Themen auch andere Menschen beschäftigen. Dabei gibt uns der große Zuspruch unserer Hörer, besonders aus den neuen Bundesländern, durchaus recht.

Schwierigkeiten ergeben sich nur immer wieder mit den "großen" Musikmagazinen der "Szene", die gerne negativ von dem "erhobenen Zeigefinger" in unseren Texten sprechen, aber das kümmert uns wenig, ist es doch Ausdruck des großen politischen Desinteresses in der Szene. Dagegen jedoch gilt es etwas zu tun.

E.: Durch alle Veröffentlichungen zieht sich der Aufruf zum Widerstand gegen den wieder aufkeimenden Faschismus (Stichwort: "Wehret den Anfängen!"); warum ist Euch gerade das so wichtig?

D.P.H.: In der letzten Zeit gibt es immer wieder Berichte in der Presse (TV, Stern, Spex) über aufkommende neonazistische Tendenzen in der Wave-Gothic-Szene. Das ist erschreckend. Es gibt beispielsweise einige Bands, die unterschwellig ein solches Gedankengut verbreiten. Magazine schalten Anzeigen der "Jungen Freiheit" und berichten über Sampler wie den "Leni Riefenstahl Sampler", auf dem Bands beispielsweise mit Hitler- und Göbbels-Samples garnierte Stücke veröffentlichen. Der angesprochene Song heißt bezeichnenderweise "Der Erlöser". Ein Kommentar dazu erübrigt sich wohl. Jedenfalls darf sich die doch sehr unpolitische Szene nicht wundern, wenn dann in der Presse davon gesprochen wird, daß sie von neonazistischen Gruppen unterlaufen wird. Dagegen wollen wir eindeutig Stellung beziehen, zumal ja auch der klassische E.B.M. schon öfter in eine solche Ecke gedrängt worden ist.

E.: Eure Texte sind ja nicht gerade szene-typisch; manche Thematiken würde ich sogar eher in Punk-Texten erwarten. Wie seht Ihr das?

D.P.H.: Das ist absolut wahr. Gerade textlich sind wir wohl eher von den Punk-Bands der frühen 80er beeinflusst worden. In unserem Musikbereich gibt es leider nur sehr wenige Bands, die auch einmal zu den angesprochenen Themen Stellung beziehen.

E.: Welchem Teil des politischen Spektrums ordnet Ihr Euch zu?

D.P.H.: Das läßt sich nur schwer beantworten. Vielen Leuten geht es so, daß sie sich mit keinem Programm einer

Partei hundertprozentig anfreunden können. So geht es auch uns. Natürlich fühlen wir uns eher dem linkspolitischen Spektrum zugehörig, aber auch dort gibt es Ansichten, die wir nicht teilen können. Ich kann mir gut vorstellen, später mal selbst in die Politik zu gehen, denn nur dort kann man vielleicht etwas bewegen. Man wird sehen...

E.: Ihr schreibt zwar ernste Texte, verwendet doch auch häufig ironische bis zynische Samples. Welche Reaktion beim Hörer wollt Ihr damit erreichen? Wollt Ihr mit Euren Songs protestieren, kommentieren oder zum Nachdenken anregen?

D.P.H.: Wie ich schon sagte, wollen wir mit unseren Songs auch zum Nachdenken bewegen. Daneben soll der Hörer aber auch durchaus Spaß an der Musik haben und die Tanzflächengeeignetheit ist uns ebenso wichtig. Dabei sollte man die Sprachsamples nicht überbewerten; sie werden in erster Linie von uns eingesetzt, weil sie uns gut gefallen. Volker steht unheimlich auf den Film "Taxi Driver" und hat auf dem neuen Album verstärkt Samples aus diesem Film eingestzt.

E.: Woher nehmt Ihr sonst Eure Samples?

D.P.H.: Die entnehmen wir ausschliesslich Filmen, die uns gefallen. In "Wehret den Anfängen" haben wir auch Reden aus dem Bundestag gesampelt. Die Samples müssen nur auch in deutscher Sprache gehalten sein, da wir ja ausschliesslich deutsche Texte machen.

E.: Ich habe Euch das erste Mal auf dem Celtic Circle Sampler I mit "Bilder meiner Angst" gehört, das mir heute immer noch sehr gut gefällt. Aber seitdem hat sich die Musik doch gehörig und konsequent weiterentwickelt: meines Erachtens ist die Musik vielschichtiger und besser "ausgetüftelt", es wird viel mehr Wert auf verschiedene Rhythmen gelegt (nicht nur EBM-Bum-Bum) und auf der neuen Platte sind auch Gitarren-Samples zu hören. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

D.P.H.: Das ist schön, daß Dir das aufgefallen ist. Natürlich entwickelt sich die Musik immer weiter. Wäre es nicht so, sollte man lieber aufhören. Wir werden auch durch das beeinflusst, was wir privat hören. Dies ist zur Zeit wohl mehr der Metal-Crossover Bereich, was auch den Einsatz von Gitarrensamples erklärt. Unsere Musik wird daher in Zukunft auch noch eher härter werden. Daneben legen wir aber auch großen Wert auf melodische Refrains, wie man auf "Schlagende Wetter" durchaus feststellen kann.

E.: Auf der neuen Platte steht auch immer noch die tiefe Stimme im Vordergrund, doch auch daran wurde gearbeitet. Der Gesang beim Refrain von "Schlagende Wetter" erinnert mich ein wenig an Rammstein und es ist auch ein gelungener Instrumental-Track dabei. War diese Entwicklung beabsichtigt?

D.P.H.: Auch diese Entwicklung ist beabsichtigt, wobei darauf bei zukünftigen Erscheinungen mit Sicherheit noch mehr Wert gelegt werden wird. Zur Musik von Rammstein kann ich nur sagen, daß ich ihr Debut bezogen auf die Musik absolut genial finde. Mit den Texten kann ich leider herzlich wenig anfangen, sie sind irgendwie krank. Die Musik ist jedoch mit das Beste, was ich 1996 gehört habe.

E.: Ich finde die neue Platte sehr facettenreich. Seid Ihr mit dem Ergebnis zufrieden?

D.P.H.: Wir sind sehr zufrieden mit dem neuen Album. Meine persönlichen Favoriten sind das Titelstück, sowie "Herzblut" und "Schöne neue Welt". Produktionstechnisch haben wir einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Aber "Schlagende Wetter" ist sicher nicht das letzte Album von "Prager Handgriff".

E.: Werdet Ihr auf Tour kommen, stehen Tourdaten schon fest?

D.P.H.: Wir gehen im Mai, Juni und Juli auf Tour. Etwa die Hälfte der Tourdaten steht schon fest (Diese sind in der Rubrik Tourdaten zu finden, Anm. d. Verf.). Dabei wird die Reise im Juli wohl auch nach Herford gehen. Das wäre jedenfalls schön, haben wir doch in dieser Region seit 1991 nicht mehr gespielt.

Genaues kann ich jedoch noch nicht sagen. Die meisten Gigs werden sicher wieder in Ostdeutschland stattfinden, aber es sind auch Auftritte in Belgien, Frankreich und der Schweiz geplant.

E.: Wie wird Eure Bühnenschow aussehen? Mit wem werdet Ihr touren?

D.P.H.: Wir haben keine feste Band, die uns auf der Tour begleiten wird. Wir werden einige Konzerte mit "E-Craft" aus Eisenhüttenstadt geben. In Jena werden wir beispielsweise zusammen mit "Endraum" spielen.

Unsere Konzerte werden wie immer mit multimedialen Mitteln unterstützt. So werden Filme und Dias zu sehen sein. Daneben wird es noch einige andere Veränderungen geben, aber laßt Euch doch überraschen.

E.: Eure Homepage finde ich auch ziemlich schick und auf jeden Fall surfenswert. Betreibt Ihr die selbst? Erzählt mal ein bißchen dazu.

D.P.H.: Darauf bin ich besonders stolz. Die Homepage wurde von mir persönlich eingerichtet und programmiert. Ich versuche, sie ständig zu aktualisieren. Man kann dort alle Texte downloaden, sich Photos anschauen, Konzertdaten abfragen, an Gewinnspielen teilnehmen und sich gerne ins Gästebuch eintragen. Die Adresse lautet: http://home.t-online.de/home/praha

E.: Möchtet Ihr sonst noch etwas loswerden?

D.P.H.: Ich möchte mich für das Interview bedanken und hoffe, das wir uns vielleicht einmal auf einem Konzert in Euer Region wiedersehen.

E.: Nennt doch bitte noch Eure Kontakt- und/oder Fanclub-Adresse.

Wir freuen uns natürlich über jede Zuschrift. Also schreibt an:

PRAGER HANDGRIFF PRAGER HANDGRIFF FANCLUB

c/o Stefan Schäfer Ferdinand Leitner

Beverstr. 63 Am Klosterwald 8

44894 Bochum 87600 Kaufbeuren

 

Auch ich bedanke mich für das nette Interview und wünsche den beiden vom Prager Handgriff alles Gute für die Zukunft und viel Spaß bei der Tour.

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