LEÆTHERSTRIP

Der Musiker, der sich hinter diesem Projekt verbirgt, bedarf wohl keiner Vorstellung. Claus Larsen hat mit seinem Hardcore-EBM-Projekt Leæ therstrip die europäische Elektro-Szene so beeinflußt wie wohl kaum ein anderer. Vor allem die legendären Alben "Solitary Confinement" und "Underneath The Laughter" haben dem Dark-Electro nachhaltig ihren Stempel aufgedrückt. Auch mit seinem Projekt Klute, das weniger festgelegten Strukturen folgt sondern eher ein Hobby für Claus Larsen ist, hat er für Impulse im Crossover/Industrial-Bereich gesorgt. Nun hat er sein neuestes Album "Self Inflicted" veröffentlicht, das wieder einmal bei Fans und Kritikern gleichermaßen für Euphorie sorgte.

Entry: Herzlichen Glückwunsch zum neuen Album. Es scheint ja überall gut anzukommen. Bist Du selbst mit Deinem Werk auch so zufrieden?

Leæ therstrip: Ich kann nur sagen, daß ich mich nach der Fertigstellung eines Albums noch nie so ausgelaugt gefühlt habe. Ich bin froh, daß ich die Arbeit an der Soft Cell-Tribute-CD so bald danach beenden konnte, weil ich nicht glaube, daß ich die Kraft hätte, es jetzt zu tun. Mit "Self Inflicted" bin ich sehr zufrieden und dankbar für die Reaktionen auf das Album. Es gab bisher keine negativen.

E.: Wie fühlt man sich, wenn die Erstauflage von 3.000 Stück an einem Tag ausverkauft ist?

L.: Als Torben (Schmidt, Zoth Ommog) mir das erzählte, glaubte ich ihm nicht. Es sieht so aus, als würde ich mit diesem Album mehr Menschen denn je erreichen können. Ich glaube, es wird langsam auch mal Zeit, daß ich etwas Anerkennung für meine ganze Arbeit bekomme (lacht)! Ich hoffe nur, daß "Self Inflicted" auch in den Staaten so gut ankommt; ich drück’ die Daumen.

E.: Du hast ja zur Zeit einen enormen kreativen Output: Innerhalb eines halben Jahres erschienen das letzte Album "The Rebirth of Agony", die EP "Yes - I’m limited Vol. II" und jetzt das neue Album. Woher nimmst Du die ganzen Ideen? Was ist Deine Inspiration?

L.: Ich habe nicht mehr Songs geschrieben als sonst auch. Der Grund ist, daß das Label mit mir nicht Schritt halten kann. "Self Inflicted" sollte nicht vor August oder September diesen Jahres veröffentlicht werden, aber nachdem ich die Arbeiten daran schon im Dezember letzten Jahres beendet hatte, wollte ich nicht so lange warten.

Face

E.: Es gab ja in letzter Zeit einige Premieren bei Leæ therstrip: auf der "Yes - I’m limited Vol. II" durften erstmals andere Bands Deine Songs remixen. War es Deine Idee? Gefallen Dir persönlich die Remixe? (Mir gefallen einige recht gut, weil sie andere Akzente setzen, so ist der Apoptygma Berzerk Remix sehr dancelastig)

L.: Es war Torbens Idee, und glaube mir, es hat ihn ziemlich viel Zeit gekostet mich zu überzeugen. Doch ich stimmte auch zu, weil es einigen jüngeren Bands helfen würde, etwas mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich sehe dieses Album nicht als Leæther Strip-Album, aber ich denke, daß es einige wirklich interessante Arbeiten enthält.

 

E.: Und auf dem neuen Album "Self-Inflicted" gibt es (meines Wissens nach) erstmals Coverversionen von Dir: "Showroom Dummies" von Kraftwerk, das bereits auf der "Tribute to ..." Compilation veröffentlicht wurde, und "X Files Theme" von Mark Snow. Warum überhaupt Coverversionen und wie bist du gerade zu diesen Songs gekommen?

L.: Ich habe auch eine Version von Pink Floyds "Learning To Fly" und "Lullaby" von The Cure gemacht. Der Grund dafür, daß ich bisher noch keine Cover-Versionen gemacht habe, ist recht einfach. Ich habe mich nicht getraut. Durch die Soft Cell-Tribute-CD wurde mir erst klar, daß ich es machen kann. "Showroom Dummies" habe ich gecovert, weil es mein Lieblings-Song von Kraftwerk ist, und das "X-Files Theme" war mir zu "fröhlich" und es braucht etwas mehr "Dunkelheit". Ich wünschte, sie würden es in einer Episode verwenden.

E.: Mir gefällt das "X Files Theme" auch sehr gut, weil es in Deiner Version noch düsterer und mysthischer klingt. Magst Du eigentlich die Serie?

L.: Es ist gute Unterhaltung; sie gefällt mir, weil sie nicht so produziert ist wie andere US-Serien. Außerdem liebe ich den Humor dieser Serie.

E.: Eine interessante und gelungene Innovation der "Legacy of Hate and Lust" war, daß man bei einigen Songs Deine unverzerrte Stimme hören konnte. Warum hast Du dies nicht beibehalten?

L.: Das ist lustig, denn viele Leute haben mir gesagt, daß ich damit kommerziell werden würde. Es wird mir auch heute noch oft gesagt. Aber ich hatte immer den Eindruck, daß kommerzielle Musik solche wäre, ohne die man gut leben könnte, und ich kann es immer noch nicht. Aber keine Panik, ich werde auch weiterhin Songs ohne verzerrten Gesang machen. Ich habe bereits zwei Songs ohne verzerrte Vocals für das nächste Album aufgenommen. Außerdem sind ja einige Songs auf "Self Inflicted" ohne Verzerrer.

E.: Kannst Du Dich erinnern, wann Du Deinen ersten Synthie gekauft hast? Was für ein Gefühl war das für Dich?

L.: Na sicher kann ich mich daran erinnern: es war ein Moog Prodigy, ein monophonischer Synthie. Ohne diesen Moog hätte ich wahrscheinlich nicht angefangen, Musik zu schreiben. Also bedankt Euch bei Bob Moog für Leæther Strip. Ich frage mich was ich jetzt machen würde, wenn ich diesen Synthie nicht gekauft hätte. Ich wäre wahrscheinlich als Radio/TV-Verkäufer geendet. Aber ich hätte eine bessere Beziehung zu meiner Bank!

E.: Was hast Du damals für Musik gehört und gemacht?

L.: Ich war ein Riesen-Fan von Soft Cell und Depeche Mode mit Postern an der Wand und so weiter. Ich habe damals sehr unschuldige Teenage-Techno-Pop-Songs geschrieben. Ich war ein Dave Gahan-Look Alike (lacht)!

E.: Welche Bedeutung hatte Musik damals für Dich und hat sich diese Bedeutung bis heute geändert?

L.: Seit meinem vierten oder fünften Lebensjahr hat Musik eine große Rolle in meinem Leben gespielt und ich denke, daß sich das bis heute nicht geändert hat; ich bin immer noch süchtig.

E.: In Deinen Texten spielen Satan, Christus und Gott oft eine Rolle. Welche Rolle spielt für Dich Glaube? An was glaubst Du: an Dich, Deine Freunde, Satan, Gott, ...?

L.: Ich spüre, daß der Glaube eines Individuums eines der intimsten Dinge ist, die wir haben, und ich kann nur sagen, daß ich an die Menschen glaube, die ich liebe, und NICHT an eine göttliche Kraft.

E.: Welche Einstellung hast Du gegenüber Religion und Glauben auf der einen und Kirche auf der anderen Seite?

L.: Nun ja, als Schwuler habe ich überhaupt keinen Respekt gegenüber der Kirche, und Religion ist in meinen Augen nur ein anderes Wort für Zerstörung und Zerfall.

E.: Man hört oft, daß Du Dich nur mit sehr wenigen Menschen umgibst, und in Deinen Texten taucht oft das Motiv der Isolation auf. Welche Bedeutung haben für Dich dann Gesellschaft und Staat?

L.: Hmmm, ich bin nicht sicher, was ich dazu sagen kann. Gesellschaft und Staat tun sicherlich ihr Bestes, um Leute mit einer anderen Art zu Leben zu unterdrücken und auszugrenzen. Dänemark ist sicherlich nicht der schlechteste Ort, an dem man leben kann, aber die Verhältnisse könnte sicherlich auch besser sein.

E.: Welches Buch liest Du zur Zeit? Beeinflußt Literatur Deine Musik bzw. Deine Texte?

L.: Zur Zeit lese ich eine Menge Horrorromane, ich bin nicht in der Stimmung für Tiefergehendes. Gerade jetzt lese ich "Sepulchure" von James Herbert. Ich kann nicht abschätzen, wieviel Einfluß Bücher auf meine Musik haben, darüber habe ich nie nachgedacht.

E.: Nachdem die Tour im März gecancelt wurde, wirst Du nun im Herbst auf Tour gehen? Ich glaube, Du wirst im Sommer auch auf einigen Festivals spielen?

L.: Es tut mir leid, aber ich habe im Augenblick keine Tour-Pläne. Ich glaube nicht, daß ich in diesem Jahr auf Tour gehen werde und auch die Festival-Auftritte sind abgesagt worden. Es ist ziemlich enttäuschend aber meine persönlichen Probleme konnten noch nicht gelöst werden. Ich habe mich wirklich auf diese Tour gefreut. Scheiße, Scheiße, Scheiße und nochmals Scheiße!

E.: Zoth Ommog kündigte an, es solle neues Material von KLUTE geben, wann wird das zu erwarten sein?

L.: Oh, tatsächlich. Das wußte ich nicht. Ich denke, daß ich ein paar Klute-Songs in diesem Sommer schreiben werde, aber eine Veröffentlichung ist noch nicht geplant.

E.: Wie werden die Songs klingen, wieder mehr wie früher (harter und kompromißloser Gitarren-Crossover) oder werden sie sich weiter an Leæ therstrip annähern?

L.: Ich habe keine Ahnung. Klute ist immer noch mein Spielplatz, also sollte man nicht zu viel erwarten. Vielleicht wird es Techno-Pop, ich weiß es nicht.

E.: Von einigen Bands ist immer wieder zu lesen, daß sie von Dir entdeckt wurden (aktuell z.B. Seven Trees). Wie kommst Du an diese jungen Bands?

L.: Also das Demo-Tape von Seven Trees habe ich bei einem Besuch bei Music Research letztes Jahr im Mülleimer gefunden. Normalerweise entdecke ich die Bands durch Zufall, Seven Trees waren aber ein echter Glücksgriff - denke ich.

E.: Was ist Deine aktuelle Lieblingsplatte?

L.: Das Seven Trees-Debut Album, great stuff.

E.: Mein Entry-Kollege Tom meinte, daß er bei einem Konzert vor einigen Jahren Dich hätte rufen hören: "Deutschland den Deutschen!" Ist das wahr oder hat er da etwas mißverstanden?

L.: Wenn ich das gesagt haben sollte, müßte ich schon sehr betrunken gewesen sein. Ich glaube, daß ich geschrien habe "Move motherfucking Deutschland, move you fucks!", denn wenn ich mich recht erinnere, standen die meisten Zuschauer nur dumm rum mit offenen Mündern. Ich erinnere mich daran, weil die Zuschauer bei den übrigen Shows echt abgefeiert haben.

E.: Interessierst Du Dich denn für Politik?

L.: Sicherlich, aber es kotzt mich wirklich an und ich rege mich zu sehr auf, wenn ich über Politik rede, also halte ich mich da etwas zurück. Aber ich versuche natürlich mich über das zu informieren, was in der Politik auf der Welt passiert.

E.: Würdest Du für Minderheiten kämpfen (da Du ja zumindest einer angehörst)?

L.: Auf gewisse Art und Weise tue ich das ja schon. Ich rede offen über meine Sexualität und einige meiner Texte handeln auch von den Problemen von Minderheiten, oder sollte ich eher sagen, von den Problemen der Übrigen, diese Minderheiten zu akzeptieren.

E.: Was hältst Du von Nationalismus?

L.: That sucks!! Big time! That’s all.

E.: Möchtest Du gerne noch zu einem Thema, das ich nicht angesprochen habe, etwas sagen?

L.: Call me anything you like but....STOP CALLING ME A SELL-OUT, I NEVER DID

SELL OUT, AND I NEVER WILL. SO, STOP IT PLEASE!

Ich denke, daß solche Vorwürfe auch nicht gerechtfertig sind und ihnen eher Neid als Kritik zugrunde liegt. Ich kann mich nur für die ehrlichen Antworten bedanken und wünsche Claus Larsen alles Gute für die Zukunft. Hoffentlich sehen wir uns bald bei einer Deutschland-Tournee!

Interview: Z

Support: f.

Kontaktadresse:

eMail: strip@post5.tele.dk

Claus Larsen, Himmerlandsvej 4, Vegger, 9240 Nibe, Denmark