BEBORN BETON

Eigentlich hätte dieses Interview schon viel früher erscheinen sollen, aber zunächst mußten wir den Interviewtermin ein paar Mal verlegen und dann hatte Roberts Rechner etwas dagegen, daß es in der letzten Entry abgedruckt wird - also kommt es erst jetzt...sorry.
Beborn Beton waren in meinen Augen schon immer eine Band, die aus der großen grauen Masse der Synthie-Pop-Bands hervorstach, und ihr letztes Album "Truth" und vor allem ihr Konzert in der Live-Station in Dortmund (s. Entry Okt./Nov.) haben mich in diesem Eindruck nur bestärkt. Also traf ich mich eines schönen Tages in der Vorweihnachtszeit mit Sänger Stefan Netschio (+++) und Keyboarder Stefan Tillmann (***), um das folgende Interview zu führen.

Wie seid Ihr eigentlich zu Eurem ersten Label Subtronic (bevor Ihr zu Strange Ways gewechselt seid) gekommen?

*** Wir hatten dem Darrin Huss mal eine Kassette gegeben und sind auch mit Psyche getourt. SPV hatte dann von jemandem, der uns live gesehen hat, einen Tip bekommen und daraufhin hat sich Subtronic an uns gewendet. Weil wir es damals nicht besser wußten, haben wir uns gefreut und den Plattenvertrag unterschrieben - wir hatten uns ja nie irgendwo beworben. Wir haben die Musik sowieso mehr zum Spaß für uns gemacht und hatten nie das Ziel unbedingt eine bestimmte Szene ansprechen zu wollen. Sicherlich lief in den Clubs, die wir damals besuchten, EBM u.ä. Wir sind dann irgendwie dadurch, daß wir unsere eigenen Tapes verkauft haben, in die Tape-Szene gerutscht, wo schließlich ein Sampler mit (noch) unbekannten Bands wie De/Vision, Infam und Second Voice zusammengestellt wurde, auf dem auch unser "Torture" veröffentlicht wurde und dann lief es auf einmal in den Clubs, und wir wußten gar nicht warum.

Der Wechsel zu Strange Ways hat doch gezeigt, daß das (kommerzielle) Potential, das Eure Musik bietet, wesentlich größer war...

Beborn Beton  - Gruppe *** Ja gut. Es ist heute nicht schwer ein Plattenlabel zu gründen und bei Subtronic war es so, daß die in einem Hinterraum ein paar Geräte stehen hatten, und das war das Studio. Dort wurde zum Beispiel die "Tybalt" auf eine Bandmaschine aufgenommen und gemixt, weshalb das Album - naja, sagen wir mal - "rauh" ausgefallen. Die ist halt nicht so gut produziert. Wenn man die Aufnahme fertig hat, ist der Rest im Prinzip nur eine Geldfrage. Aber es kommt auch darauf an, daß das Label die CD dann verschickt und Promotion dafür macht, und das war bei Subtronic nicht so toll; ohne daß ich das jetzt schlecht machen möchte.

+++ Bei der "Concrete Ground" haben wir uns entschlossen, nicht wieder in diesem Hinterzimmer aufzunehmen, sondern haben uns die entsprechenden Geräte besorgt und nach Hause gekarrt. So hatten wir genügend Zeit und Ruhe, das Album aufzunehmen, und mußten nicht immer nach Dortmund fahren.

*** Das war das Ärgerlichste beim ersten Album: Wir mußten jeden Tag nach Feierabend, wo man sowieso müde und kaputt ist, von Essen nach Dortmund fahren, um in diesem Studio mit schlechter Akustik zu stehen. Bis 18.30 Uhr hat auch noch der Plattenladen vorne aufgehabt und man konnte noch keinen Gesang aufnehmen. Der Sound der zweiten Platte war zwar schon besser aber eine richtige Produktion war das auch nicht. Die Songs sind allemal gut, um sie sich zu Hause anzuhören, aber gerade in der Disco ist es wichtig, daß beispielsweise niederfrequente Bässe vorhanden sind, damit der Sound auch richtig abgeht und in den Magen haut - wenn es denn gewünscht ist. Wenn man mit einem richtigen Produzenten zusammenarbeitet, ist das viel einfacher, weil der sich durch seine Erfahrung mit solchen Dingen auskennt.

Wie sehr ist denn Euer Produzent José Alvarez an der Entstehung der Songs beteiligt? Mittlerweile ist es ja Mode geworden, den Produzent als eine Art zusätzliches Band-Mitglied zu betrachten...

*** Die Band schreibt die Songs. Mir geht es ziemlich auf den Nerv, daß bei vielen Veröffentlichungen "Produziert von..." dabei steht, nur damit sich die Platte besser verkauft. Bei der "Tybalt" stand z.B. auch dabei: Produziert von Carlos Peron. Richtig war auch, daß wir einen Song mal mit ihm aufgenommen haben. Aber weder vorher noch nachher hatten wir eine Note an dem Lied geändert, so daß man hätte sagen können: "Der Carlos ist gekommen und jetzt wissen wir wie wir einen Basslauf schreiben müssen." Viele sagen ja auch, daß wir wie De/Vision klingen, nur weil wir mit dem selben Produzenten zusammenarbeiten. Wir schreiben die Songs und José versucht das Wesentliche und den Charme einer Band zu erkennen und das produktionstechnisch perfekt aufzubereiten. Für uns hat das den Vorteil, daß wir uns voll und ganz auf die Musik konzentrieren können, und den Rest macht er dann. Früher, als wir noch selbst gemixt haben, war es oft so, daß wir zig verschieden Mixe eines Songs angefertigt haben, weil wir uns beispielsweise unsicher waren, ob die Bass-Drum zu leise oder zu laut ist.

Beborn Beton

+++ Wir sind natürlich immer offen für Vorschläge von José. Bloß wenn wir merken, daß das nicht die Musik ist, die wir machen wollen, dann lassen wir es auch ganz einfach. Aber er hat einen ähnlichen musikalischen Background wie wir selbst und kann deshalb immer gut einschätzen, wie die Songs bei Beborn Beton zu klingen haben.

*** Bei der Produktion zur "Nightfall" hatte er z.B. den Vorschlag gemacht, bei einem Song noch eine Sängerin hinzuzufügen. Wir haben uns zuerst dagegen gewehrt, aber er meinte, daß sei kein Problem, das zu testen. Er hat kurz telefoniert und am nächsten Tag kam die Sängerin dann ins Studio, hat zehn Spuren über den Song gesungen und wir waren alle so davon begeistert, daß wir das auch noch bei einem anderen Song eingesetzt haben.

Man kann mit einem Produzenten einfach viel relaxter an die Arbeit gehen und muß sich nicht um jede Kleinigkeit selbst kümmern. Wir machen unsere Arbeit dann voll konzentriert und natürlich entstehen dann auch Freiräume, wo wir uns dann ins Nebenzimmer setzen konnten und Playstation gespielt haben.

Ist das eigentlich genetisch veranlagt, daß alle Musiker, die elektronische Musik machen, auch auf Computerspiele und Science Fiction stehen?

*** (Lachen) Ich weiß auch nicht woran das liegt. Vielleicht kommt das daher, daß wir selbst die Entwicklung des Computer haben mitverfolgen können. Als ich zehn war, hatte ein Freund von mir einen der ersten Computer, auf dem es dann auch schon kleine Spiele gab, und damals konnte man ja auch noch an jeder Pommes-Bude für eine Mark diese Tele-Spiele wie Space-Invaders spielen. Wir haben das immer als Training für das Leben angesehen und dachten uns, daß es uns irgendwann in unserem Leben helfen wird, wenn wir uns tierisch gut gegen Aliens verteidigen können.

(Lachen) So wie in "Starfighter" oder was?

*** So ähnlich, irgendwann kommt dann der Mann, der Dir sagt, daß Du das Universum retten mußt. Aber das ist natürlich das zweite Klischee, daß nämlich die Elektro-Leute alle Science Fiction-Freaks sind und auch alle SciFi-Filme kennen.

Was sind denn so Eure Highlight-Spiele und Filme?

*** Als ich mir meine Playstation geholt habe, war mein Lieblingsspiel natürlich Wipeout, aber es gibt einen Haufen andere guter Spiele wie Tomb Raider - auch wenn das ein Ballerspiel ist - die cool sind. Im Tourbus haben wir auch immer vor der Playstation gehangen. Im Filmbereich sind die Klassiker selbstverständlich "Silent Running" oder "Blade Runner", der eine Synthese aus guter Stimmung, perfekter Musik, schön düstere Atmosphäre und tollen Schauspielern ist. In letzter Zeit gefiel mir "Das 5. Element" sehr gut und "Alien 4" fand ich eher enttäuschend. Ich kann mich noch erinnern, wie ich aus "Alien 2" kam: vor dem Film diskutierten die ersten Sitzreihen, wie denn nochmal die Katze hieß, und anschließend wußte man einfach, daß man ein Stück Kino-Geschichte miterlebt hatte. Der Film hatte tolle Action, war super-spannend und wir waren alle richtiggehend verspannt, weil wir so gebannt in unseren Kinosesseln gesessen hatten. Meiner Meinung nach hat der dem ersten Film auch nochmal gut einen drauf gesetzt - man sollte sich auch den Director’s Cut angucken, der noch wichtige Szenen enthält. Wir haben den natürlich. (Allgemeines Lachen)

"Silent Running" ist ein Film, der mich auch etwas geprägt hat: ich glaube, daß ich den schon mit fünf Jahren das erste Mal gesehen habe und die beiden Roboter ganz süß fand; das traurige Ende habe ich aber erst später richtig verstanden.

Dann noch die Entry-Test-Frage: Welches ist die beste Star-Trek-Serie?

*** Ich finde die neuesten Folgen von Deep Space Nine am besten...

(Nun folgte - auch aufgrund des starken Widerspruchs des Entry-Redakteurs - eine breite Diskussion über Star Trek, SciFi- und Splatter-Filme.)

Wie weit seit Ihr mit der Planung des nächsten Albums?

*** Wir haben schon wieder einige neue Songs geschrieben, die bisher lustigerweise alle auf deutsch sind. Deutsche Texte sind aber immer ein heikles Thema, man muß aufpassen, daß man da nicht in so eine Schublade gesteckt wird. Wenn man ein leichtes Liebeslied auf deutsch singt, dann klingt das leicht wie Schlagermusik.

Wie wichtig sind Euch die Texte? Ich habe so das Gefühl, daß Ihr richtig was mitteilen wollt! Nee, ernsthaft, das ist ja gerade in dem Bereich, wo Ihr Musik macht, nicht so selbstverständlich. Was möchtet Ihr Euren Mitmenschen denn mit "Truth" vermitteln?

*** Wir haben irgendwann angefangen, uns mit dem Thema Wahrheit zu beschäftigen. Wie kommt man dazu?

+++ Ich glaube, ich hatte Dich angelogen...

*** ...neee, ich habe eine Novelle gelesen, in der es auch um die Frage ging: "Was ist überhaupt Wahrheit? Kann es nicht verschiedene Wahrheiten geben?" Darin tauchte die These auf, daß Wahrheit etwas ist, was Dir vielleicht nur ein oder zwei Mal in Deinem Leben begegneten, und alles andere ist nur eine Ansammlung von Fakten, die Du durch Deine persönliche Sinneswahrnehmung in einen logischen Zusammenhang zu fügen. Deshalb können andere Voraussetzungen dafür sorgen, daß man dieselbe Sinneswahrnehmung anders zuordnet. So ist das oft in der Politik. Zwei Redner können etwas völlig gegensätzliches behaupten, das aber beide mal plausibel klingt, weil sie jeweils von anderen Voraussetzungen ausgehen. Es kann alles richtig oder falsch sein und deshalb kann es keine absolute Wahrheit geben.

+++ Als Du mir von der Novelle erzählt hast, hatte ich mir auch gerade eine X-Files-Staffel gekauft und darin taucht ja auch dieses Motiv auf, daß Menschen drei- oder viermal getäuscht werden, um eine Wahrheit, die sich dann doch als unwahr herausstellt, herauszufinden.

*** Es war aber nicht so, daß wir uns vorher an einen Tisch gesetzt und ein Konzept erarbeitet haben. Die Songs sind entstanden und das Thema "Truth" hat sich eben als eine gewisse Gemeinsamkeit ergeben. Irgendwie sollte uns dieses Album, das zweite bei Strange Ways, auch ein bißchen die Wahrheit über uns verraten, wie es weiter geht und ob der Erfolg anhält. Daß das Album nicht so locker-flockig-poppig geworden ist, wie viele vielleicht erwartet haben, lag auch daran, daß es im Winter entstanden ist und gerade mich zu dem Zeitpunkt vieles nur angekotzt hat. Beborn Beton - Gruppe  2

Worum geht es für Euch in "New Born King"? Ist das nicht etwas blasphemisch?

*** Blasphemie ist relativ. Es gibt so viele Religionen, die für sich alle in Anspruch nehmen, den wahren Glauben zu vertreten. Das ist ja schon ein Widerspruch in sich. Ich würde von mir sagen, daß ich schon einen Glauben an ein höheres Wesen, dessen Kreaturen wir sind, habe. Auf jeden Fall finde ich es ja schön, daß Dir der religiöse Anspruch des Songs überhaupt aufgefallen ist. Viele Leute denken sich einfach gar nichts dabei, wenn sie den Text hören. Und wenn wir diesen Text aus der Ich-Perspektive schreiben, dann wollen wir natürlich nicht behaupten, wir wären ein den Menschen übergeordnetes Wesen oder dergleichen. Es geht einfach um ein Wesen, das hier ankommt und sich die Welt und die Menschheit, die sich ach so ernst nimmt, mit einer gewissen Gelassenheit anguckt. Das steckt wohl in jedem von uns drin: sich selbst ernst nehmen und auch von anderen ernstgenommen werden wollen. Aber was passiert, wenn man das jetzt mit einem ganz anderen Maßstab betrachtet? Darum ging es uns eigentlich und nicht um irgendeine Alien-Science-Fiction-Geschichte.

Als letzte Zugabe habt Ihr in Dortmund "New Born King" gespielt. Das hatte Euch ein Freund von mir zugerufen und in nullkommanix habt Ihr das dann gespielt - hattet Ihr sowieso vor, den Song zu spielen oder spielt Ihr ohne DAT oder wie oder was?

*** Wir haben Mini-Disc! Wir haben vorher auch mit DAT gearbeitet, aber mit Mini-Disc ist man einfach flexibler und der Sound ist 100%ig. So sind wir - wie in Deinem Fall - auch in der Lage auf Wünsche einzugehen.

Toll, endlich mal eine Band, die auch etwas von MD hält. Normalerweise - das ist zumindest meine Erfahrung - lehnen Musiker MD ab, weil es mit Daten-Kompression arbeitet.

*** Tja, im Studio würden wir auch nicht mit MD arbeiten, aber für Live-Auftritte ist das wirklich gut. Die Puristen schwören da vielleicht auf DAT, aber je länger man in diesem Geschäft dabei ist, desto weniger kümmert Dich das. Es kommt so häufig vor, daß Du Dich auf der Bühne verspielst, und keiner merkt es; da frage ich Dich, ob denen dann die Daten-Kompression auffällt.

Was haltet Ihr eigentlich vom Internet?

*** Es eröffnet schon einige geniale Möglichkeiten. Der Gedanke, daß Du jeden auf der Welt (wenn er denn Zugang hat) in wenigen Minuten über das Internet erreichen kannst. Wir haben ja auch eine Homepage (titan.cs.bonn.edu/~wagner, Anm. Z) und bei uns loggen sich auch Menschen aus der ganzen Welt, wie z.B. USA, Brasilien oder Japan, ein und da sind auch einige Kontakte entstanden. Aber natürlich sollte man das Ganze auch nicht überbewerten, weil das Internet sicherlich auch nicht die Weltrevolution ist. Die Rechner und Leitungen sind teilweise einfach auch noch zu schlecht; trotzdem bietet es natürlich schon großartige Möglichkeiten, speziell auch für kleine Bands oder Fanzines.

Beborn Beton

Was ist Eure Meinung zu den Studentenprotesten zur Zeit?

+++ Die Studenten sind die Absahner der Nation und jetzt so eine Scheiße da abzuziehen ist ja wohl das Letzte. Die liegen den ganzen Tag auf der faulen Haut, sacken die Steuergelder ein und dann auch noch solche Mätzchen machen, nee, da kann ich wirklich nicht drauf!

(allgemeines Lachen)

Ihr wißt, daß ich das alles gnadenlos abtippe...

*** Gut, was soll man dazu sagen. Es läuft sicherlich einiges schief in diesem Land und man kann im Prinzip nur hoffen, daß sich durch den Regierungswechsel, nach dem es zur Zeit aussieht, einiges ändern wird. Das betrifft nicht nur das Bildungswesen, sondern es sind ja auch viele andere Reformen, wie z.B. die Gesundheitsreform, total vergurkt worden. Wenn ich aber mitbekomme, daß hier im Cinemax in Essen tagsüber Vorlesungen stattfinden, weil Hörsäle so überfüllt, ist das natürlich auch bitter. Auf der anderen Seite gibt es viele Abiturienten, die noch nicht arbeiten wollen und dann erstmal BWL studieren. Anschließend bekommen sie dann ein Kind oder machen doch wieder etwas anderes...gut, das ist jetzt ein bißchen Klischee, aber trotzdem sind es keine Einzelfälle.

+++ Solange aber noch Millionen da sind, um für irgendwelche sinnlosen Projekte ausgegeben zu werden....

*** ...wie den Eurofighter oder den Umzug nach Berlin. Es ist vielleicht irgendwann aus logistischen Gründen sinnvoll eine Hauptstadt in der Mitte des Landes zu haben, obwohl das bei der zunehmenden Globalisierung auch fraglich ist.

Denkt Ihr, daß sich in den nächsten Jahren etwas bessern wird?

*** Man kann dem Ganzen nicht ganz optimistisch entgegensehen, aber ich denke, daß ein sich ein gewisser Aufschwung wieder einstellen wird. Die Folgekosten der Wiedervereinigung wurden ganz einfach unterschätzt, aber im Ostteil des Landes kann nun eine ganz moderne Industrie entstehen, so daß es denen in ein paar Jahren vielleicht besser als uns geht. Wo diese ganze Entwicklung hinführt, vermag ich natürlich auch nicht zu sagen. Es wäre ja auch denkbar, da unsere Freizeit ständig zunimmt, daß irgendwann Maschinen alle Arbeit verrichten, und wir gar nicht mehr arbeiten müssen. Vielleicht werden wir alle irgendwann arbeitslos und das ist dann gar nicht schlimm. Zur Zeit sieht es aber natürlich ganz anders aus. Man sieht auf den Straßen immer mehr Arbeitslose und es kommt auch schon mal vor, daß ich in einem Hauseingang einen Fixer sehe, der sich in die Zehen spritzt - solche Bilder geben einem dann schon zu denken, aber ich wüßte auch nicht, wie ich demjenigen in diesem Augenblick helfen könnte. Das ist z.B. eine Thematik, über die wir jetzt ein Lied gemacht haben, das auf dem nächsten Album auch erscheinen wird. Auf der einen Seite weiß man nicht, wem man wie helfen kann, und auf der anderen Seite ist man es auch einfach leid, weil man in der Stadt alle paar Meter angequatscht wird, ob man mal eine Mark hätte oder den armen Tieren helfen könnte. Man stumpft irgendwann ab und gibt gar keinem mehr etwas, weil man gar nicht mehr einschätzen kann, ob derjenige wirklich bedürftig ist oder nur keinen Bock hat zu arbeiten. Das ist alles eine Folge dieser Wirtschaftsmisere und des allgemeinen Ellbogendenkens, ohne das man aber selbst auch nicht weiterkommt.

Direkt nach Ende des Interviews, als wir gerade das Café verlassen hatten, kamen wir in eine Situation, über die wir Minuten vorher noch gesprochen hatten: eine ältere Frau, die wirklich heruntergekommen aussah, bat uns um ein paar Mark, weil doch bald Weihnachten sei. Wir guckten uns alle etwas irritiert an, weil es genau so wie zuvor beschrieben war: man konnte nicht recht einschätzen, ob sie wirklich bedürftig war...jedenfalls ließen sich die Betons nicht lumpen und gaben ihr etwas Geld. Wir kamen aber doch wieder ins grübeln, als sie recht penetrant weitere Passanten um Geld anbettelte. Keine schöne Situation, die aber doch typisch ist und zeigt, daß wohl irgend etwas in dieser Gesellschaft falsch läuft.

Ich bedanke mich bei Till und Peter Kraus (s. letzte Entry) für das sehr nette und aufschlußreiche Interview und wünsche ihnen und der Band alles Gute für die Zukunft. Bedanken muß ich mich auch noch bei meinen Freunden, die mir das Diktiergerät mit zwei Geschwindigkeiten geschenkt haben, ohne das ich einen Teil des Interviews nicht mehr hätte retten können...

Z